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Eschschloraque Rümschrümp

    Derb-metallenen und geheimnisvoll-erhaben ragt sein Eingang aus den verwinkelten, mit Street Art und Graffiti patinierten Fassaden empor. Stufe um Stufe und die Eisentür hinter sich lassend, eröffnet sich ein schummrig-lebhafter Mikrokosmos, in dem eine unverfälschte Mischung aus Kreativität, Inspiration, Geschehnissen und Begegnungen rumort. Bildgewaltig wird eine Bar eher selten umschrieben. Geht es jedoch um das Eschschloraque Rümschrümp, steht jener sonderbar beseelte Kunstraum mit einer mitreißend ungezwungenen Dynamik zwischen den Zeilen, der die altbekannte Kaffeekaschemme oder neu zu entdeckende Cocktailbar vielmehr als Künstlerclub erfasst.

    Inmitten des „Mainstream-Chic“ bei um sich greifender Gentrifizierung ist das Eschschloraque ein Refugium freier (Lebens-)Kunst und alternativer Clubkultur, Ort der Begegnung und kreative Produktionsstätte zugleich. Bei einem außergewöhnlichen Programm mit Konzerten, Performances und DJ-Nächten finden sowohl Berliner Avantgarde als auch Geheimtipps der Freien Szene auf der Bühne zusammen. Vielgestaltig zeigt sich auch das Publikum aus ansässigen und internationalen Künstler:innen, Alternativen, Kunstbegeisterten, Entdeckungsfreudigen, Alt- und Neu- Berliner:innen. Es überrascht nicht, dass entsprechend der bewegten Vielfalt alles möglich ist: Die eine oder der andere bleibt bei entspannten Bar-Abenden, in angenehm seltsame Gespräche verwickelt, an der Theke kleben oder die Party explodiert ganz unerwartet und aus einem Getränk wird das wohlige Abdriften im Scheinwerferlicht.

    Dass diese Anziehungskraft bereits seit 1995 vom Eschschloraque ausgeht, verleiht ihm seinen Kultstatus und zeugt von einer bemerkenswerten Nachhaltigkeit in Zeiten, in denen immer mehr Kunst- und Kulturprojekte weichen müssen … und das, während Monster über das innere Halbdunkel des Clubs und seinen Cocktailgarten im Hof wachen: Sie sind Kreaturen der in den 1980er Jahren gegründeten Berliner Künstlergruppe Dead Chickens, zwei ihrer Mitglieder diejenigen, die das Eschschloraque mit gründeten und bis heute betreiben. Mit der Erfahrung, unabhängige Projekträume für die Freie Szene zu schaffen und auf der Suche nach einem neuen Ort für die Dead Chickens, gründeten sie mit weiteren erfahrenen Kulturschaffenden den Schwarzenberg e.V. und das Haus Schwarzenberg. Seit dessen Beginn zählt das Eschschloraque zum Zentrum des unabhängigen Kulturhauses.

    Der Künstlerclub ist somit auch ein lebendiges Zeit- und Kunstdokument, das aufgrund seiner stets neu bespielten Vielfalt nicht im Status eines Museums verharren kann, sondern vielmehr mit der Zeit gehend unangepasst bleibt. Neben dem lebendigen Echo einer Raumaneignung und anarchischen Zeit der Neunziger, zeigt das Eschschloraque einen radikalen Willen zur Kunst, der den Spagat zwischen Überleben und Kommerzialisierung schafft, um Künstlerclub zu bleiben. Es war von Anfang an ein Treffpunkt für Kreative; ein gemeinsamer Experimentier- und Entfaltungsfreiraum, in den sich das Handwerk der Dead Chickens einschreibt. Während der Entwurf phantastisch skurriler Welten, in denen die Statik der Metallkunst durch die Bewegung kinetischer Skulpturen auflebt, eines ihrer Merkmale ist, geht es maßgeblich auf die Dead Chickens zurück, das Organische in die Metallkunst einfließen zu lassen. Sie erweitern die Grenzen roher, scharfkantig-metallener „Hard Art“ zu einem bewegenden, poetisch avantgardistischen Werk – im Eschschloraque schließlich zu einem gleichermaßen gemütlichen wie atmosphärischen Begegnungs- und Veranstaltungsort.

    Die Offenheit für künstlerisches Schaffen ab vom Mainstream spiegelt sich auch im breitgefächerten musikalischen Spektrum der DJ-Sets und Konzerte wider, während sich in Veranstaltungsreihen, etwa zu Tanz und Performance, jener Experimentier- und Entfaltungsfreiraum fortschreibt. Dabei ist die durch den Künstlerclub wabernde Dynamik ein nostalgisch-vibrierender Esprit der 1990er Jahre, der im Hier und Jetzt authentischen Berliner Undergrounds zeitgenössische, unkonventionelle Kunst und Musik vergegenwärtigt.

    In Eschschloraques Gegenwart setzt ein Zeitbewusstsein doch sofort aus, wenn sich der Alltag in einem psychedelisch- fluoreszierenden Sog auflöst, im energetischen Rot- Blau der Scheinwerfer und am geisterhaften Grün-Grau der Wände bricht, sich im tiefen Purpur auf der Bühne oder am stählern-organischen Blau-Grau der Bar verflüchtigt, oder im sommerlichen Cocktailgarten als Rast und Erholung im „Urban Gardening“ des Innenhofs aufblüht.

    Sich entsprechend weltentrückt einfach treiben zu lassen, ist die Freiheit zum ‚Rümschrümpen‘ – Eschschloraque der einmal eingeprägte und nicht mehr vergessene Name für den Ort, der immer wieder in einen eigensinnigen Bann zieht.

    Text Vera Fischer

    www.eschschloraque.de